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Generation Smartphone: Klare Regeln statt pauschaler Verbote

  • andreadibiase
  • 17. Nov. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Nov. 2024

"Totalverbot von Handys an Schulen!" "Smartphones erst ab der Oberstufe!" "Handys gehören nicht in Kinderhände!" - Seit Wochen dominieren diese Schlagzeilen die bildungspolitische Diskussion. Während Politiker um die strengsten Verbote wetteifern und einzelne Kantone bereits pauschale Handyverbote beschlossen haben, erlebe ich als Schulpflegerin eine andere Realität: Das Smartphone vibriert während der Mathestunde, WhatsApp-Nachrichten fliegen während des Unterrichts hin und her, und in der Pause starren die Kinder auf ihre Bildschirme statt miteinander zu spielen.


Als Mutter weiss ich: Mit Verboten allein lösen wir diese Herausforderungen nicht. Im Gegenteil - sie führen oft nur dazu, dass die Nutzung heimlich stattfindet und sich der offene Dialog zwischen Schule und Schülerschaft verschliesst. Oft sehe ich die Sorgenfalten der Lehrpersonen, wenn wieder einmal ein Unterricht durch vibrierende Smartphones unterbrochen wird. Ich höre die Bedenken von Eltern, die sich fragen, ob ihr Kind in den Pausen eigentlich noch richtig spielt und sich bewegt. Und ich verstehe die Ängste, wenn es um Themen wie Cybermobbing oder übermässige Handynutzung geht.


Doch statt in den populistischen Ruf nach generellen Verboten einzustimmen, plädiere ich für einen differenzierteren Ansatz. Smartphones sind längst mehr als nur Störfaktoren. Sie sind Teil der Lebenswelt unserer Kinder - einer Welt, die sich fundamental von unserer eigenen Schulzeit unterscheidet. Die zentrale Frage ist nicht, ob wir Smartphones komplett aus der Schule verbannen, sondern wie wir unsere Kinder zu einem gesunden und kompetenten Umgang mit diesen Geräten befähigen können.


In diesem Blogbeitrag möchte ich Euch aufzeigen, wie wir diese Herausforderung an unserer Schule gemeinsam und praxisnah angehen können - fernab von politischen Grabenkämpfen und pauschalen Verbotsforderungen. Denn eines ist klar: Nur wenn Elternhaus und Schule an einem Strang ziehen und wir die digitale Realität unserer Kinder ernst nehmen, können wir ihnen den bestmöglichen Weg durch die digitale Welt ebnen.


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Die aktuelle Situation an unseren Schulen


Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bereits 95% der 12-Jährigen besitzen ein eigenes Smartphone. Weitere aktuelle Statistiken zeigen:


  • 86% aller Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und 19 Jahren nutzen ihr Smartphone täglich für soziale Medien

  • Im Durchschnitt verbringen Jugendliche 3,2 Stunden täglich am Smartphone

  • 71% der Lehrpersonen berichten von regelmässigen Unterrichtsstörungen durch Smartphones

  • 42% der Eltern geben an, dass die Handynutzung ihrer Kinder zu Konflikten in der Familie führt

  • Jeder dritte Jugendliche war schon einmal von Cybermobbing betroffen

  • 89% der Schülerinnen und Schüler nutzen ihr Smartphone auch für schulische Zwecke (Recherche, Lern-Apps)


Besonders besorgniserregend: Die durchschnittliche Bildschirmzeit steigt jährlich um etwa 45 Minuten, während die Zeit für persönliche Gespräche und Outdoor-Aktivitäten kontinuierlich abnimmt.


Zwischen Verbot und Freiheit


Verbote allein bringen nichts - sie führen höchstens dazu, dass die Nutzung im Verborgenen stattfindet. Stattdessen möchte ich drei konkrete Vorschläge in die Diskussion einbringen, die sowohl die digitale Realität als auch die Bedürfnisse des Schulalltags berücksichtigen.


1. Klare Regeln statt Totalverbot - Der Unterrichtsrahmen


Meine Vision sieht vor, dass Smartphones während des Unterrichts grundsätzlich ausgeschaltet in der Schultasche bleiben. Allerdings sollen Lehrpersonen die Möglichkeit haben, Ausnahmen für spezifische Lernaktivitäten zu bewilligen. Bei Prüfungen werden die Geräte zentral deponiert. Der Kontakt zwischen Eltern und Kindern läuft in Notfällen über das Sekretariat - diese klaren Regeln schaffen Sicherheit für alle Beteiligten, ohne in blinden Aktionismus zu verfallen.


2. Freiräume intelligent gestalten - Das Zonenkonzept


Für die Pausen schlage ich eine durchdachte Zonenlösung vor - ein Konzept, das sich in anderen Schulen bereits bewährt hat: Bestimmte Bereiche wie der Pausenplatz und die Sportanlagen bleiben handyfrei, um die direkte Kommunikation und Bewegung zu fördern. In anderen Zonen wie der Mediathek ist eine geregelte Nutzung möglich. Toiletten und Umkleidekabinen sind absolute Tabuzonen. Eine speziell eingerichtete "Kommunikationsecke" erlaubt wichtige private Gespräche oder Organisatorisches. So schaffen wir Räume für unterschiedliche Bedürfnisse, statt mit Verboten zu arbeiten.


3. Kompetenz statt Kontrolle - Medienpädagogisches Konzept


Der dritte und wichtigste Baustein ist die konstruktive Medienerziehung. Statt Verbote zu verhängen, müssen wir unsere Jugendlichen fit machen für die digitale Zukunft. Regelmässige Zeitfenster für Medienkompetenz im Unterricht, eine sorgfältige Begleitung beim verantwortungsvollen Umgang sowie praxisnahe Übungen zu Themen wie Datenschutz und Fake News sind dabei unerlässlich. Auch Kreativprojekte, die Smartphones sinnvoll einbinden, gehören zu diesem Konzept. Nur wer den Umgang mit digitalen Medien lernt, kann sie später verantwortungsvoll nutzen.


Diese Vorschläge basieren auf diversen Gesprächen mit anderen Schulen. Sie sind als Diskussionsgrundlage gedacht, die wir gemeinsam mit Lehrpersonen, Eltern und Schülerschaft weiterentwickeln können. In einer Zeit, in der die Politik nach immer schärferen Restriktionen ruft, setze ich auf Augenmass und pädagogische Vernunft. Und noch etwas:


Stufengerechte Lösungen sind gefragt


Der Umgang mit Mobiltelefonen muss sich am Entwicklungsstand unserer Kinder und Jugendlichen orientieren.


In der Unterstufe haben Handys im Schulalltag grundsätzlich nichts verloren. Die Kinder sollen in diesem Alter ihre Umwelt direkt und mit allen Sinnen erleben. Natürlich verstehe ich, dass einige Eltern ihren Kindern aus Sicherheitsgründen ein Mobiltelefon mitgeben. In solchen Fällen bleibt das Gerät ausgeschaltet in der Schultasche. Für Notfälle stehen die Klassenlehrpersonen oder das Sekretariat als Ansprechpartner zur Verfügung.


Die Mittelstufe markiert einen sanften Übergang. Auch hier sollten wir an einer restriktiven Handhabung festhalten, führen die Schülerinnen und Schüler aber behutsam an einen kompetenten Umgang mit digitalen Medien heran. Bereits in diesem Alter ist es wichtig, dass Kinder, Eltern und Lehrpersonen die geltenden Regeln kennen und mittragen.


Eine besondere Herausforderung stellt die Oberstufe dar. Hier müssen wir die Lebensrealität der Jugendlichen berücksichtigen, ohne dabei die pädagogischen Grundsätze aus den Augen zu verlieren. Gerade in der 8. und 9. Klasse, wenn die Lehrstellensuche beginnt, müssen die Jugendlichen teilweise für potenzielle Lehrbetriebe erreichbar sein. Hier plädiere ich für klar definierte Zeitfenster, in denen eine entsprechende Kommunikation möglich ist. Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Smartphone wird so zu einem wichtigen Teil der Vorbereitung auf die Berufswelt.


Das Handy: Weder Teufel noch Heilsbringer


In der Diskussion um Smartphones an Schulen braucht es eine sachliche Perspektive. Das Mobiltelefon ist in erster Linie ein Werkzeug – nicht mehr und nicht weniger. Als solches kann es in bestimmten Situationen durchaus nützlich sein, etwa bei Recherchen oder der Organisation des Schulalltags. Dennoch dürfen wir nie vergessen, dass es lediglich ein Hilfsmittel unter vielen ist und keinesfalls den persönlichen Austausch oder traditionelle Lernmethoden ersetzen kann.


Die Realität zeigt: Smartphones sind Teil der Lebenswirklichkeit unserer Schülerinnen und Schüler geworden. Diese Tatsache können und sollen wir nicht ignorieren. Stattdessen müssen wir lernen, konstruktiv damit umzugehen. Dies gelingt nur mit verbindlichen Richtlinien für den Schulalltag, die von allen Beteiligten mitgetragen werden. Dabei nehme ich ausdrücklich auch die Eltern in die Pflicht: WhatsApp-Nachrichten während der Schulzeit sind tabu – auch von Mama oder Papa. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir unsere Regeln konsequent und fair umsetzen.


Wichtig ist mir dabei, dass wir diese Regelungen nicht als starres Korsett verstehen. Die digitale Welt entwickelt sich rasant weiter, und auch unsere Schule muss sich anpassen können. Daher sollten die Massnahmen regelmässig überprüft und wenn nötig, nachgebessert werden.


Fazit: Gemeinsam Verantwortung übernehmen


Die Digitalisierung ist längst in unserem Schulalltag angekommen – nun liegt es an uns, sie aktiv und positiv zu gestalten. Als Kandidatin für das Schulpräsidium setze ich mich für einen ausgewogenen Weg ein: Klare Regeln, die allen Beteiligten Orientierung geben. Stufengerechte Lösungen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Und vor allem: Eine offene Gesprächskultur zwischen Schule, Elternhaus und Schülerschaft.


Die Herausforderung "Smartphone in der Schule" können wir nur gemeinsam meistern. Dafür braucht es gegenseitiges Verständnis, konsequentes Handeln und die Bereitschaft, unsere Regelungen immer wieder zu überprüfen und anzupassen. Dabei verlieren wir nie aus den Augen, worum es eigentlich geht: Um bestmögliche Lernbedingungen für unsere Kinder und Jugendlichen.


Teilen Sie Ihre Erfahrungen und Ideen mit mir – sei es hier im Blog oder in einem persönlichen Gespräch.


Quellen:

  • JAMES-Studie (Schweizer Jugend und Medien)

  • Studien des Bundesamts für Statistik

  • Untersuchungen der ZHAW zum Medienverhalten

  • Lokale Schulstatistiken Gemeinden

 
 
 

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Gast
17. Nov. 2024
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