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Falsch verstandene Gleichberechtigung schwächt unser Bildungssystem

  • andreadibiase
  • 7. Juli
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Juli

Stellen Sie sich vor: Bei ihrem zukünftigen traditionellen Schulskitag wird plötzlich die Rangfolge beim Skirennen abgeschafft. Alle Kinder sollen Sieger sein, niemand darf verlieren. "Es ist unfair, dass manche Kinder schneller sind als andere", argumentiert eine Person. "Das demotiviert die langsameren Kinder."


Diese Szene spielte sich letztes Jahr tatsächlich an mehreren Schweizer Schulen ab und löste heftige Diskussionen aus. Für mich als Schulpflegerin war es ein Weckruf: Hier wird der Begriff "Gleichberechtigung" systematisch missverstanden und missbraucht. Was als noble Absicht beginnt, entwickelt sich zu einer Gleichmacherei, die unseren Kindern schadet und bewährte Bildungsprinzipien zerstört.


Denn was ist falsch daran, wenn ein trainiertes, talentiertes Kind beim Skirennen gewinnt? Nichts! Das ist Leben. Das ist Realität. Das ist – richtig verstanden – Gleichberechtigung in Aktion: Alle Kinder haben dieselbe Chance, teilzunehmen und ihr Bestes zu geben.


Das Grundmissverständnis


Nicht selten höre ich Argumente wie dieses: "Meine drei Kinder mussten unterschiedlich viele Hausaufgaben lösen. Das ist ungerecht. Deshalb sollten Hausaufgaben abgeschafft werden."


Hier wird ein fundamentaler Denkfehler deutlich: Diese Lehrperson verwechselt Gleichberechtigung mit Gleichstellung. Sie versteht nicht, dass Gleichberechtigung bedeutet, dass alle Kinder die gleiche Chance erhalten, zu lernen und sich zu entwickeln – nicht, dass alle das gleiche Ergebnis erzielen müssen.


Gleichberechtigung versus Gleichmacherei


Echte Gleichberechtigung im Bildungswesen bedeutet:

  • Jedes Kind erhält dieselben Lernmöglichkeiten

  • Jedes Kind wird nach denselben Massstäben beurteilt

  • Jedes Kind hat Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung

  • Niemand wird aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder anderen Merkmalen benachteiligt


Falsch verstandene "Gleichberechtigung" (tatsächlich Gleichstellung) führt zu:

  • Abschaffung von Hausaufgaben, weil nicht alle gleich viel schaffen

  • Verzicht auf Noten, weil manche Kinder schlechtere Ergebnisse erzielen

  • Senkung der Anforderungen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner

  • Bestrafung von Leistung und Fleiss


Das Hausaufgaben-Desaster


Was Hausaufgaben wirklich bewirken


Hausaufgaben sind ein fundamentaler Baustein der Bildung. Sie:

  • Festigen das Gelernte durch Wiederholung und Anwendung

  • Entwickeln Selbstdisziplin und Eigenverantwortung

  • Zeigen Lernlücken auf, die im Unterricht geschlossen werden können

  • Bereiten auf das Berufsleben vor, wo niemand auf Übung und Nacharbeit verzichten kann

  • Fördern die Eltern-Kind-Beziehung durch gemeinsames Lernen


Die absurde Logik der Abschaffung


Wenn ein fleissiges Kind mehr Hausaufgaben schafft als ein träges, ist das kein Zeichen von Ungerechtigkeit – es ist ein Zeichen dafür, dass das System funktioniert! Das fleissige Kind wird belohnt, das träge Kind merkt, dass Anstrengung nötig ist.


Die Logik "Kinder schaffen unterschiedlich viel, also schaffen wir Hausaufgaben ab" ist so absurd wie zu sagen: "Sportler laufen unterschiedlich schnell, also schaffen wir das Training ab."


Noch beliebter wird das Argument: "Hausaufgaben belasten die Familien. Es wird zu viel gestritten zu Hause." Als ob Streit grundsätzlich schlecht wäre! Kinder müssen lernen, dass manche Dinge getan werden müssen, auch wenn sie keine Lust haben. Das ist eine wichtige Lebensvorbereitung. Wenn Eltern vor dieser Erziehungsaufgabe kapitulieren und die Schule dafür verantwortlich machen, dann stimmt etwas Grundlegendes nicht.


Die verheerenden Folgen


Schulen, die Hausaufgaben abgeschafft haben, berichten von:

  • Verschlechterung der Leistungen, besonders bei lernschwächeren Kindern

  • Verlust von Arbeitsdisziplin und Durchhaltevermögen

  • Überforderung beim Übertritt in weiterführende Schulen

  • Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Schichten, die auf schulische Struktur angewiesen sind


Das Noten-Trauma


Warum Noten unverzichtbar sind


Als Schulpflegerin erlebe ich auch den Angriff auf die Notengebung. Immer häufiger höre ich: "Noten demotivieren schwächere Schüler, deshalb sollten wir sie abschaffen."


Aber Noten erfüllen wichtige Funktionen:

  • Orientierung für Schüler, Eltern und Lehrer über den Leistungsstand

  • Motivation für Verbesserung und Anstrengung

  • Objektivität bei Übertritten und Bewerbungen

  • Vorbereitung auf das Leben, wo überall bewertet wird

  • Schutz vor Willkür durch nachvollziehbare Kriterien


Die Scheinheiligkeit der Notengegner


Dieselben Eltern, die gegen Noten wettern, fragen heimlich nach: "Wie steht denn mein Kind im Vergleich zu den anderen?" Sie wollen die Information, aber nicht die Verantwortung.

Und was passiert in notenlosen Schulen? Die Bewertung findet trotzdem statt – nur versteckt, subjektiver und für die Eltern intransparent. Das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.


Noten als Chance zur Verbesserung


Eine schlechte Note ist nicht das Ende der Welt – sie ist eine Information: "Hier musst du mehr arbeiten." Wenn wir Kindern diese wichtige Rückmeldung vorenthalten, berauben wir sie der Chance zur Verbesserung.

falsch verstandene Gleichberechtigung
falsch verstandene Gleichberechtigung

Weitere Beispiele für falsch verstandene Gleichberechtigung


Begabtenförderung als "Elitarismus"


"Hochbegabte Kinder zu fördern ist ungerecht gegenüber den anderen."

Diese Logik ist absurd. Gleichberechtigung bedeutet, dass jedes Kind nach seinen Fähigkeiten gefördert wird – auch die Begabten. Ein hochbegabtes Kind zu bremsen ist genauso falsch wie ein lernschwaches Kind zu überfordern.


Leistungssport als "Diskriminierung"


"Nicht alle Kinder können im Schulsportteam mitspielen, das ist ungerecht."

Nein, das ist Realität. Nicht jeder kann alles gleich gut. Die Aufgabe der Schule ist es, jedem Kind zu helfen, seine Stärken zu finden – nicht alle künstlich gleich zu machen.


Fremdsprachen als "Benachteiligung"


"Kinder aus Migrantenfamilien haben es schwerer mit Deutsch, also sollten alle Texte vereinfacht werden."

Echte Gleichberechtigung würde bedeuten: Zusätzliche Deutschförderung für diese Kinder, damit sie das gleiche Niveau erreichen können. Stattdessen wird das Niveau für alle gesenkt.


Die Ideologie dahinter


Diese falsch verstandene "Gleichberechtigung" ist kein Zufall. Sie entspringt einer Weltanschauung, die:

  • Unterschiede leugnet statt sie zu respektieren

  • Leistung bestraft statt sie zu belohnen

  • Verantwortung abschafft statt sie zu fördern

  • Gleichmacherei predigt statt Chancengleichheit zu schaffen




Was echte Gleichberechtigung bedeutet


Echte Gleichberechtigung im Bildungswesen würde bedeuten:


Gleiche Standards für alle


Dieselben Hausaufgaben für alle - aber das bedeutet nicht, dass alle in derselben Zeit fertig sein müssen. Ein schnelles Kind schafft die Aufgaben vielleicht in 30 Minuten, ein langsameres braucht eine Stunde. Das ist völlig normal und in Ordnung. Die Aufgabe der Lehrperson ist es, bei Schwierigkeiten zu helfen, nicht die Anforderungen zu senken. Denn nur durch Übung wird das langsamere Kind schneller - nicht durch Verzicht auf Übung.


Dieselben Bewertungskriterien für alle - eine richtige Antwort ist richtig, egal ob sie von einem Mädchen oder Jungen, einem Schweizer oder Migrantenkind kommt. Eine falsche Antwort ist falsch, unabhängig von den Umständen des Kindes. Diese Objektivität schützt alle Kinder vor Willkür und Bevorzugung. Wenn wir verschiedene Massstäbe anlegen, schaffen wir neue Ungerechtigkeiten.


Dieselben Anforderungen für alle - aber mit der Bereitschaft, zusätzliche Unterstützung zu geben, wo sie nötig ist. Ein Kind mit Leseschwäche bekommt mehr Zeit oder Hilfsmittel, aber es muss trotzdem lernen zu lesen. Ein Kind aus einer bildungsfernen Familie erhält zusätzliche Förderung, aber es muss dieselben Lernziele erreichen wie alle anderen. Alles andere wäre eine Diskriminierung nach unten.


Individuelle Förderung statt Gleichmacherei


Begabte Kinder fordern - Hochbegabung ist kein Luxusproblem, sondern eine Realität, die Aufmerksamkeit verdient. Wenn ein Kind den Stoff bereits beherrscht, während andere noch kämpfen, dann braucht es zusätzliche Herausforderungen. Begabte Kinder zu bremsen, damit sie nicht "hervorstechen", ist grausam und verschwendet Potenzial. Echte Gleichberechtigung bedeutet, dass jedes Kind - auch das begabte - die Förderung erhält, die es braucht.


Schwächere Kinder zusätzlich unterstützen - aber ohne die Standards zu senken. Ein Kind mit Rechenschwäche bekommt mehr Übungszeit, mehr Erklärungen, vielleicht andere Methoden - aber es muss trotzdem rechnen lernen. Es ist keine Gleichberechtigung, wenn wir ein Kind mit der Begründung "es kann halt nicht rechnen" aufgeben. Das ist Diskriminierung durch niedrige Erwartungen.


Jedes Kind dort abholen, wo es steht - das ist der Kern individueller Förderung. Ein Kind, das beim Schuleintritt bereits lesen kann, braucht andere Aufgaben als eines, das noch nicht alle Buchstaben kennt. Aber beide müssen am Ende der ersten Klasse sicher lesen können. Der Startpunkt darf unterschiedlich sein, das Ziel muss gleich bleiben. Wer das Ziel für "schwächere" Kinder senkt, beraubt sie ihrer Zukunftschancen.


Leistung als Orientierung


Fleiss und Anstrengung belohnen - Kinder müssen lernen, dass sich Anstrengung lohnt. Wenn das fleissige Kind dieselbe Note bekommt wie das faule, welche Botschaft senden wir dann? Wenn beim Schulskitag alle denselben "Rang" bekommen, warum sollte sich dann noch jemand anstrengen, besser zu werden? Leistungsbereitschaft ist keine Charakterschwäche, sondern eine wichtige Lebenskompetenz.


Nachlässigkeit Konsequenzen spüren lassen - aber faire Konsequenzen, die zur Verbesserung motivieren. Ein Kind, das die Hausaufgaben nicht macht, muss lernen, dass das Folgen hat. Nicht als Strafe, sondern als logische Konsequenz. Wer nicht übt, kann nicht mitreden. Wer nicht lernt, fällt zurück. Das sind wichtige Lebenslektionen, die Kinder früh lernen sollten - in einem geschützten Umfeld, wo noch korrigiert werden kann.


Ehrliche Rückmeldung über den Leistungsstand geben - Kinder haben ein Recht darauf zu wissen, wo sie stehen. Eine schlechte Note ist nicht gemein, sondern informativ. Sie sagt: "Hier musst du mehr arbeiten." Eine gute Note sagt: "Das hast du gut gemacht, weiter so." Wenn wir Kindern diese wichtigen Informationen vorenthalten, berauben wir sie der Möglichkeit, sich zu verbessern. Falsche Schonung hilft niemandem.


Die Verantwortung der Eltern


Als Schulpflegerin appelliere ich auch an die Eltern: Hinterfragt kritisch, wenn euch Begriffe wie "Gleichberechtigung" präsentiert werden, um bewährte Bildungselemente abzuschaffen.


Fragt euch:

  • Will mein Kind wirklich in einer Welt ohne Bewertung und Anforderungen leben?

  • Bereitet eine Schule ohne Hausaufgaben und Noten mein Kind auf das echte Leben vor?

  • Ist es "gerecht", wenn mein fleissiges Kind nicht mehr belohnt wird für seine Anstrengung?


Fazit: Die teuren Folgen der Gleichmacherei


Diese Gleichmacherei kostet die Gemeinden Hunderttausende von Steuerfranken unter einem falschen Deckmantel. Spezielle Programme für "benachteiligte" Gruppen, zusätzliche Betreuung wegen wegfallender Hausaufgaben, aufwendige alternative Bewertungssysteme statt einfacher Noten, Förderkurse für Probleme, die erst durch die Gleichstellungspolitik entstanden sind - die Liste wird immer länger und teurer.


Und das System fordert immer noch mehr Ressourcen. Jedes Jahr neue Projekte, mehr Personal, weitere "innovative" Ansätze. Wohin führt das noch? Zu einer Generation von Kindern, die nicht auf das Leben vorbereitet sind, aber viel Geld gekostet haben.


Unsere Schulen sollen ein Ort bleiben, wo Leistung zählt, wo Kinder gefordert und gefördert werden, und wo echte Gleichberechtigung herrscht – nicht die teure Gleichmacherei, die als solche getarnt wird.


Denn am Ende geht es um unsere Kinder. Und sie verdienen eine Bildung, die sie auf das Leben vorbereitet – nicht auf eine Fantasiewelt ohne Anforderungen und Bewertungen.



Quellen und weiterführende Literatur


Rechtliche Grundlagen:

  • Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Art. 8 (Rechtsgleichheit)

  • Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (BehiG)

  • Kantonale Schulgesetze zur Chancengleichheit


Studien zu Hausaufgaben:

  • Cooper, H. (2006): "The Battle Over Homework: Common Ground for Administrators, Teachers, and Parents"

  • OECD Bildungsbericht 2023: "Hausaufgaben und Lernerfolg im internationalen Vergleich"

  • Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK): "Lernzeit und Hausaufgaben"


Forschung zu Notengebung:

  • Brookhart, S. (2013): "How to Create and Use Rubrics for Formative Assessment and Grading"

  • Helmke, A. (2017): "Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität"

  • Institut für Bildungsevaluation, Universität Zürich: "Notenvergabe und Leistungsmotivation"


Begabtenförderung:

  • Renzulli, J. (2016): "The Three-Ring Conception of Giftedness"

  • Schweizerische Gesellschaft für angewandte Begabungsforschung: Jahresbericht 2024

  • Heller, K.A. (2018): "Begabung und Leistung in der Schule"


Kosten-Nutzen-Analysen Bildungsreformen:

  • Bundesamt für Statistik: "Bildungsausgaben der öffentlichen Hand 2023"

  • Economiesuisse: "Bildungsreformen und ihre volkswirtschaftlichen Kosten" (2024)

  • Gemeindeverband: "Zusatzkosten durch bildungspolitische Maßnahmen" (2024)


Medienberichte zu aktuellen Fällen:

  • "Skirennen ohne Sieger: Schulen streichen Rangfolgen", NZZ am Sonntag, März 2024

  • "Hausaufgaben abgeschafft: Experiment an Basler Schulen", Tages-Anzeiger, September 2024

  • "Noten oder keine Noten: Die große Schuldebatte", SRF Rundschau, November 2024


Internationale Vergleichsstudien:

  • TIMSS-Studie 2023: Mathematik und Naturwissenschaften

  • Eurydice-Bericht: "Bewertungspraktiken in europäischen Schulen" (2024)

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