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Das Bildungs-Tabu: Warum Schulen Angst vor der Privatwirtschaft haben

  • andreadibiase
  • 24. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Sept.

In Schweizer Lehrerzimmern und den Bildungsdirektionen der Kantone herrscht ein unausgesprochenes Tabu: Der Vergleich mit der Privatwirtschaft. Während in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung längst über New Public Management, Kundenorientierung und Leistungsanreize diskutiert wird, scheint das Bildungswesen in einer ideologischen Blase gefangen zu sein.


"Privatwirtschaftlich" gilt hier als Schimpfwort, als Synonym für Profitgier und Unmenschlichkeit. Doch ist diese reflexhafte Abwehrhaltung in einem Land gerechtfertigt, das seinen Wohlstand der freien Marktwirtschaft verdankt? Ein ehrlicher Systemvergleich offenbart fundamentale Unterschiede, die erklären, warum Bildungsreformen so schwerfällig voranschreiten.


Das geschlossene System der Volksschule


Beginnen wir mit einem strukturellen Problem: Das Bildungswesen ist ein in sich geschlossenes System. Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft sind nicht nur selten – sie sind oft unerwünscht. Während Unternehmen gezielt Branchenwechsler rekrutieren, die bewährte Methoden und frische Perspektiven mitbringen, schottet sich die Schule systematisch ab. Das Argument der fehlenden pädagogischen Ausbildung ist vorgeschoben – in Wahrheit fürchtet man den kritischen Blick von aussen.


Ein Beispiel aus der Praxis: Ein erfolgreicher Projektmanager aus der Schweizer Finanzbranche möchte als Quereinsteiger unterrichten. In einem KMU würde man seine Erfahrung in Teamführung, Zeitmanagement und Zielerreichung als wertvoll erachten. Im Schweizer Schulsystem muss er erst jahrelange Zusatzausbildungen an der PH absolvieren, bevor er überhaupt eine Klasse betreten darf. Die Botschaft ist klar: Externe Expertise ist nicht erwünscht.


Mentoring: Karrierechance oder Belastung?


Der Umgang mit Mentoring illustriert die unterschiedlichen Denkmuster perfekt. In der Privatwirtschaft gilt die Förderung von Nachwuchskräften als Zeichen von Führungskompetenz und karrierefördernd. Wer andere erfolgreich entwickelt, steigt selbst auf. Es entsteht ein natürlicher Anreiz, die besten Talente zu fördern und weiterzubringen.


In der Schule hingegen wird Mentoring oft als zusätzliche Belastung empfunden, die neben dem eigentlichen Unterricht bewältigt werden muss. Ohne zusätzliche Anerkennung oder finanzielle Anreize bleibt es eine Pflichtübung. Die Folge: Halbherziges Engagement und verpasste Chancen für beide Seiten.


Das Dilemma der Leistungsmessung


Hier stossen wir auf ein fundamentales Problem: Während Schweizer Unternehmen mit klaren KPIs, Umsatzzielen und Kundenzufriedenheitswerten arbeiten, ist Bildungserfolg schwer messbar. Wie bewertet man "gute Lehre"? Sind es die PISA-Resultate? Die Erfolgsquote bei Berufsprüfungen? Die Zufriedenheit der Lernenden?


Diese fehlende Messbarkeit macht es nahezu unmöglich, faire Leistungsanreize zu schaffen. Nicht weil im Bildungsbereich niemand Qualität will, sondern weil objektive Bewertungskriterien fehlen. Die Folge: Gleichmacherei durch kantonale Lohnsysteme, die Exzellenz bestraft und Mittelmässigkeit belohnt.


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Innovation: Überlebensstrategie vs. Monopolkomfort


In der Privatwirtschaft ist Innovation eine Überlebensstrategie. Unternehmen, die sich nicht anpassen und verbessern, verschwinden vom Markt. Diese existentielle Bedrohung schafft permanenten Innovationsdruck.


Das kantonale Bildungsmonopol kennt diesen Druck nicht. Warum sollte man sich erneuern, wenn keine Konkurrenz droht? Die Kunden – Schülerinnen, Schüler und Eltern – haben keine Wahlmöglichkeiten. Beschwerden verpuffen in den kantonalen Verwaltungsstrukturen. Das Ergebnis: Digitalisierung als lästige Pflicht statt als Chance, noch immer Wandtafeln statt Tablets in vielen Schweizer Klassenzimmern.


Kundenorientierung ohne Kundensouveränität


Ein Schweizer Unternehmen, das seine Kunden schlecht behandelt, geht pleite. Diese simple Wahrheit schafft natürliche Qualitätskontrolle. Der Kunde entscheidet mit seinem Portemonnaie über Erfolg oder Misserfolg.


Schweizer Schulen haben Zwangskunden. Eltern können nicht einfach zur Konkurrenz wechseln, wenn sie unzufrieden sind. Wo ist der Anreiz für guten Service, wenn die "Kunden" keine Alternative haben? Das erklärt, warum Elternbeschwerden oft ins Leere laufen und strukturelle Probleme jahrelang bestehen bleiben.


Die Bürokratiefalle


Während Schweizer KMU schlanke Strukturen und kurze Entscheidungswege pflegen – Effizienz entscheidet über den Erfolg –, leidet das Bildungswesen unter schwerfälliger Verwaltung. Entscheidungen müssen über Schulleitung, Bildungsdirektion bis hin zum Kantonsrat abgestimmt werden. Bis eine sinnvolle Reform umgesetzt wird, sind Jahre vergangen.


Ein praktisches Beispiel: Eine Zürcher Schule möchte moderne Lernmethoden einführen. In einem Schweizer Unternehmen würde die Abteilungsleitung entscheiden und binnen Wochen umsetzen. In der Schule beginnt ein monatelanger Abstimmungsprozess zwischen Gemeinde,

Kanton und Lehrerverbänden mit ungewissem Ausgang.


Das Feedback-Paradox


Schweizer Unternehmen leben von kontinuierlichem Feedback. Mitarbeitergespräche, 360-Grad-Bewertungen und Kundenfeedback sind Standard. Wer nicht liefert, muss gehen – ein natürlicher Qualitätsmechanismus.


Schweizer Lehrpersonen hingegen sind durch weitreichenden Kündigungsschutz abgesichert. Feedback wird zur Farce, wenn keine echten Konsequenzen drohen. Warum sollte man sich verbessern, wenn die Stelle ohnehin sicher ist? Diese Feedback-Resistenz lähmt das System.


Eigenverantwortung vs. Steuergeld-Mentalität


Der eigenverantwortliche Umgang mit Ressourcen ist in der Schweizer Privatwirtschaft überlebenswichtig. Verschwendung führt zur Insolvenz. Im Bildungsbereich kommt das Geld vom Steuerzahler – wo ist der Anreiz zur sparsamen Verwendung?


Diese unterschiedliche Haltung zu Geld und Ressourcen prägt die gesamte Arbeitskultur. Während private Schweizer Unternehmen jeden Rappen umdrehen müssen, herrscht im öffentlichen Bereich oft eine "wird-schon-finanziert"-Mentalität.


Der Weg nach vorne für die Volksschulen


Ich möchte betonen: Die Lösung liegt nicht darin, Schweizer Schulen in Unternehmen zu verwandeln. Bildung hat gesellschaftliche Funktionen, die über reine Effizienz hinausgehen. Aber die reflexhafte Ablehnung privatwirtschaftlicher Prinzipien schadet mehr, als sie nützt.

Wir brauchen mehr Wahlfreiheit für Eltern, Leistungsanreize für Lehrpersonen und echte Rechenschaftspflicht gegenüber den "Kunden". Das bedeutet nicht weniger Bildung, sondern bessere Bildung.


Schweizer Schulen müssen sich dem Wettbewerb stellen, Quereinsteiger willkommen heissen und von erfolgreichen Unternehmenspraktiken lernen. Nur so kann das verkrustete System aufgebrochen und echte Reformen angestossen werden.


Es ist höchste Zeit, das Tabu zu brechen und einen ehrlichen Systemvergleich zu führen. Unsere Kinder haben eine Bildung verdient, die nicht in ideologischen Schützengräben gefangen ist, sondern das Beste aus beiden Welten vereint.


Die Schweizer Privatwirtschaft ist nicht der Feind der Bildung – sie könnte ihr Retter sein.

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