Brücken bauen: Die vergessene Kunst der Kommunalpolitik
- andreadibiase
- 27. Okt. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Dez. 2024
Kürzlich machte mich eine Arbeitskollegin darauf aufmerksam, dass ich eine Brückenbauerin sei. Diese Aussage, gepaart mit dem Feedback eines Mitarbeiters unserer Schule, der mich als verbindende Person beschrieb, regte mich zum Nachdenken an. Als amtierende Schulpflegerin und Kandidatin fürs Schulpräsidium - eine Position, die auch einen Sitz im Gemeinderat bedeuten würde - wurde mir bewusst, wie zentral diese Fähigkeit für meine aktuelle und zukünftige Rolle ist.
Die verlorene Kunst des Zuhörens
Die sozialen Medien haben unsere Kommunikationskultur grundlegend verändert. Wo früher persönliche Gespräche am Gartenzaun oder beim Dorffest stattfanden, dominieren heute kurze, oft polarisierende Statements auf Facebook, Twitter und Co. Die Algorithmen dieser Plattformen belohnen zugespitzte Aussagen und kontroverse Debatten.
Gleiches gilt für die traditionelle Medienlandschaft: In Zeiten von Clickbait und der Jagd nach Likes und Shares geht differenzierte Berichterstattung oft verloren. Medien drucken bevorzugt, was Aufmerksamkeit generiert - die ausgewogene Darstellung der Fakten tritt dabei häufig in den Hintergrund. Dies mussten wir diesen Frühling beim Fall “Brunner” in unserer Schule selbst schmerzlich erleben.
Was dabei verloren geht, ist die Fähigkeit, einander wirklich zuzuhören, verschiedene Perspektiven zu verstehen und Sachverhalte in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen. Gerade in der Kommunalpolitik und im Schulumfeld, wo es um das unmittelbare Zusammenleben in unserer Gemeinde geht, ist diese Fähigkeit jedoch unerlässlich.
Sozialkompetenz als Fundament des Brückenbauens
In der heutigen Zeit, in der fachliche Qualifikationen oft im Vordergrund stehen, wird die Bedeutung von Sozialkompetenz häufig unterschätzt. Dabei ist sie gerade in der Kommunalpolitik und im Bildungsbereich von unschätzbarem Wert. Als Schulpflegerin erlebe ich täglich, wie entscheidend ein hohes Mass an Sozialkompetenz für erfolgreiche Zusammenarbeit ist.
Empathie als Schlüssel
Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und ihre Perspektive nachzuvollziehen, ist fundamental. Wenn Eltern beispielsweise besorgt über Veränderungen im Schulalltag sind, geht es oft weniger um die konkreten Massnahmen als um die dahinterliegenden Ängste und Sorgen um das Wohl ihrer Kinder. Diese emotionale Ebene zu erkennen und darauf einzugehen, ist essentiell für konstruktive Gespräche.
Authentische Kommunikation
Sozialkompetenz zeigt sich besonders in der Art, wie wir kommunizieren. Es geht dabei nicht um eingeübte Floskeln oder oberflächliche Freundlichkeit, sondern um echte, authentische Begegnungen. Als Führungsperson in der Schule und Gemeinde bedeutet dies, auch eigene Unsicherheiten zugeben zu können und transparent zu sein, wenn Entscheidungen schwierig sind.
Warum Brückenbauen gerade jetzt so wichtig ist
In der Kommunalpolitik geht es um konkrete Lösungen für das Zusammenleben vor Ort. Ob es um den Bau einer neuen Turnhalle, die Integration von Zugezogenen oder die Gestaltung des Schulunterrichts geht – erfolgreiche Projekte entstehen nur durch die Einbindung aller Beteiligten. Als Brückenbauerin sehe ich es als meine Aufgabe:
Verschiedene Interessengruppen an einen Tisch bringen
Die Kunst des Zusammenführens verschiedener Interessengruppen erfordert mehr als nur das Organisieren eines Treffens. Es bedeutet, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Beteiligten gehört und respektiert fühlen. Wenn beispielsweise Entscheidungen über Schulentwicklungsprojekte anstehen, müssen Lehrpersonen, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Behörden gleichermassen einbezogen werden. Jede dieser Gruppen bringt wichtige Perspektiven mit, die für eine ausgewogene Lösung unerlässlich sind.
Gemeinsame Nenner in scheinbar unvereinbaren Positionen finden
Oft erscheinen Standpunkte auf den ersten Blick unvereinbar. Die Aufgabe einer Brückenbauerin ist es, tiefer zu graben und die zugrundeliegenden Bedürfnisse und Anliegen zu erkennen. Wenn etwa die einen mehr Digitalisierung im Unterricht fordern, während andere traditionelle Lehrmethoden bevorzugen, liegt der gemeinsame Nenner meist im Wunsch nach bestmöglicher Bildung für unsere Kinder. Von diesem Punkt aus lassen sich konstruktive Gespräche führen.
Kompromisse ermöglichen, bei denen alle ihr Gesicht wahren können
In der Kommunalpolitik gibt es selten absolute Gewinner oder Verlierer. Die Kunst besteht darin, Lösungen zu entwickeln, bei denen sich alle Beteiligten als Teil des Erfolgs sehen können. Dies erfordert oft kreatives Denken und die Fähigkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Ein gelungener Kompromiss bedeutet, dass jede Seite wichtige Anliegen verwirklichen kann, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden.
Selbstverständlich kann man nicht immer mit jedem zusammensitzen und endlos diskutieren. Genau deswegen wählt unsere Gesellschaft ja auch Vertreterinnen und Vertreter, die diese kommunalen Aufgaben stellvertretend erfüllen. Mir geht es hier um das grundsätzliche Mindset: um Anständigkeit und die Bereitschaft zum Dialog. Als gewählte Vertreterin sehe ich es als meine Pflicht, dieses Mindset vorzuleben und in meinem Verantwortungsbereich zu kultivieren - nicht um jeden Preis und nicht endlos, aber mit der klaren Haltung, dass respektvolles Miteinander-Reden der Schlüssel zu tragfähigen Lösungen ist.

Die sozialen Medien haben uns verlernen lassen
Geduldig zuzuhören, ohne sofort zu reagieren
Zwischentöne wahrzunehmen und zu respektieren
Die Person hinter der Position zu sehen
Gemeinsam nach Lösungen zu suchen, statt auf der eigenen Meinung zu beharren
Der Weg zurück zur konstruktiven Diskussionskultur
Als Schulpflegerin und potenzielle künftige Schulpräsidentin und Gemeinderätin sehe ich mich in der Pflicht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Das bedeutet konkret:
Regelmässige Bürgersprechstunden anbieten
Die persönliche Begegnung ist durch nichts zu ersetzen. In Bürgersprechstunden können Anliegen, Sorgen und Ideen in einem geschützten Rahmen besprochen werden. Der direkte Dialog ermöglicht es, Missverständnisse sofort zu klären und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Diese regelmässigen Gespräche sind ein wichtiges Instrument, um den Puls der Bevölkerung zu spüren und frühzeitig auf Entwicklungen reagieren zu können.
Workshops und Diskussionsrunden organisieren
Strukturierte Gruppendiskussionen bieten die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven systematisch zu erfassen und zu verarbeiten. In moderierten Workshops können komplexe Themen von allen Seiten beleuchtet werden. Die Teilnehmenden lernen dabei nicht nur die Sichtweisen anderer kennen, sondern entwickeln oft auch ein tieferes Verständnis für ihre eigene Position.
In sozialen Medien mit gutem Beispiel vorangehen
Auch in der digitalen Kommunikation ist es möglich, respektvoll und konstruktiv zu bleiben. Als Amtsträgerin habe ich eine Vorbildfunktion und nutze soziale Medien bewusst für sachliche Information und transparente Kommunikation. Dabei achte ich darauf, auch bei kontroversen Themen einen ausgewogenen Ton zu wahren und verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen.
Aktiv auf Menschen zugehen
Nicht alle Menschen äussern ihre Meinung von sich aus. Manche bleiben im Hintergrund, obwohl sie wichtige Perspektiven einbringen könnten. Teil meiner Aufgabe ist es, aktiv den Kontakt zu suchen und auch leisere Stimmen zu hören. Dies kann durch gezielte Einladungen zu Gesprächen, aufsuchende Beteiligung oder niederschwellige Beteiligungsformate geschehen.
Die Realität der Schulpolitik: Eine persönliche Perspektive
Als Kandidatin für das Schulpräsidium habe ich in letzter Zeit ernüchternde Erfahrungen gemacht, die die Notwendigkeit des "Brückenbauens" in unserem Bildungssystem noch deutlicher unterstreichen. Oft begegne ich Menschen mit einer überraschend negativen Einstellung gegenüber unseren Schulen. Aussagen wie "Man muss es der Schule jetzt zeigen" oder "Jetzt muss eine Person her, welche die Schule aufräumt" sind leider keine Seltenheit.
Diese Haltung ist besorgniserregend, denn sie basiert auf Missverständnissen und mangelnder Kommunikation. Tatsächlich steht unsere Schule in Pfäffikon auf einem soliden Fundament. Es leistet tagtäglich hervorragende Arbeit in der Bildung und Erziehung unserer Kinder und Jugendlichen. Die negativen Stimmen übersehen oft die vielen Erfolge und positiven Entwicklungen, die in unseren Schule stattfinden.
Natürlich läuft nicht alles perfekt - das wäre auch unrealistisch. Wir haben unsere Baustellen und Herausforderungen, die wir offen ansprechen und aktiv angehen müssen. Aber alles in allem macht unsere Schule einen guten Job. Dies zeigt sich in der engagierten Arbeit unserer Lehrpersonen, in der Entwicklung unserer Schülerinnen und Schüler und in den vielen positiven Rückmeldungen, die wir trotz obenerwähnter Kritik erhalten.
Fazit: Eine Investition in die Zukunft
Die Rückmeldungen aus meinem beruflichen Umfeld haben mir gezeigt, dass die Fähigkeit des Brückenbauens nicht nur eine persönliche Stärke ist, sondern auch eine wesentliche Kompetenz für meine angestrebte Position als Schulpräsidentin und Gemeinderätin. Sie ermöglicht es mir, auch in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft handlungsfähig zu bleiben und gemeinsam Lösungen zu finden. Letztlich geht es darum, unsere Gemeinden als Orte zu erhalten, in denen verschiedene Meinungen und Lebensentwürfe nebeneinander existieren können – nicht als Gegner, sondern als Teil eines lebendigen Ganzen.
Die Kunst des Brückenbauens mag in den sozialen Medien in den Hintergrund geraten sein, aber gerade deshalb ist es wichtiger denn je, sie in der Kommunalpolitik bewusst zu pflegen und weiterzuentwickeln. Denn nur so können wir die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern.

Eine Strategie, welche verständlich und hinterlegt ist mit konkreten Ansatzpunkten…. Eine klare, offene und zukunftsgerichtete Kommunikation…. Auch dies hinterlegt mit konkreten Handlungsfeldern….
100% einverstanden! Das ist ein Weltklasse-Artikel! Genau diese Fähigkeiten fehlen unseren Politikerinnen und Politikern, sie sind immer um jede Stimme bemüht und vergessen mitunter ihre Prinzipien. Da ist auch oft Eigeninteresse dahinter. Ich hoffe, Du kannst Deine geschriebenen Prinzipien leben und einhalten 😉.
cool!