Lohnt sich der Einsatz von Schulassistenzen?
- andreadibiase
- 1. Okt. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Dez. 2024
Auf vielfachen Wunsch meiner Follower auf Social Media möchte ich nun das Thema Schulassistenzen näher beleuchten. In einer Zeit, in der die Anforderungen an das Bildungssystem stetig steigen, ist es entscheidend, die Rolle von Schulassistenzen zu verstehen und ihre Auswirkungen auf die Unterrichtsqualität sowie die individuelle Förderung der Schüler zu diskutieren. In diesem Blogbeitrag werde ich die Vor- und Nachteile des Einsatzes von Schulassistenzen im Kanton Zürich analysieren und dabei sowohl Chancen als auch Herausforderungen in den Fokus rücken. Abschliessend noch meine persönliche Meinung dazu 🤗.
Hintergrund: Das Modell der Schulassistenzen im Kanton Zürich
Das Konzept der Schulassistenzen wurde im Kanton Zürich offiziell im Jahr 2010 eingeführt, als Teil der Umsetzung des Volksschulgesetzes von 2005. Ziel war es, Lehrpersonen zu entlasten und eine bessere individuelle Betreuung der Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Schulassistenzen unterstützen im Unterricht, haben aber keine pädagogische Ausbildung und übernehmen keine Lehrfunktionen.
Im Laufe der Jahre hat sich das Modell stark entwickelt und verbreitet. Besonders in den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Schulassistenzen im Kanton Zürich drastisch gestiegen. In der Stadt Zürich kam es beispielsweise zu einer Verzehnfachung der Vollzeitstellen zwischen 2018 und 2023. Diese rasante Entwicklung zeigt, dass Schulen einen grossen Bedarf an zusätzlicher Unterstützung im Klassenzimmer sehen.
Vorteile von Schulassistenzen
Entlastung der Lehrpersonen: Schulassistenzen übernehmen vielfältige Aufgaben, die Lehrpersonen entlasten. Sie helfen bei der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, unterstützen bei der Beaufsichtigung von Gruppenarbeiten oder beaufsichtigen Kinder während Pausen. Diese Entlastung ermöglicht es Lehrpersonen, sich stärker auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren: die Unterrichtsgestaltung, die individuelle Förderung von Schülern und die pädagogische Arbeit. Dadurch kann die Qualität des Unterrichts insgesamt gesteigert werden.
Individuelle Förderung: In heterogenen Klassen mit unterschiedlichen Leistungsniveaus und Bedürfnissen können Schulassistenzen eine wertvolle Unterstützung bieten. Sie können sich einzelnen Schülern oder kleinen Gruppen widmen, zusätzliche Erklärungen geben oder bei Übungsaufgaben helfen. Dies ermöglicht eine differenziertere Förderung und hilft, Lernlücken zu schliessen. Besonders Kinder mit Lernschwierigkeiten oder besonderem Förderbedarf profitieren von dieser individuellen Betreuung.
Verbesserung des Lernklimas: Durch die zusätzliche Präsenz einer erwachsenen Person im Klassenzimmer kann oft mehr Ruhe und Struktur in den Unterricht gebracht werden. Schulassistenzen können bei Störungen schnell eingreifen, ohne dass der Unterrichtsfluss unterbrochen wird. Sie können auch präventiv wirken, indem sie potenzielle Konflikte frühzeitig erkennen und entschärfen. Dies führt zu einer verbesserten Lernatmosphäre, von der alle Schüler profitieren.
Integration unterstützen: Schulassistenzen spielen eine wichtige Rolle bei der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund oder besonderen Bedürfnissen. Sie können sprachliche Unterstützung bieten, kulturelle Brücken bauen und bei der sozialen Integration helfen. Für Kinder mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen können sie praktische Hilfestellungen im Schulalltag leisten und so die Inklusion fördern.
Flexibilität im Schulalltag: Schulassistenzen erhöhen die Flexibilität im Schulalltag. Sie können bei kurzfristigen Ausfällen von Lehrpersonen einspringen, bei Projekttagen oder Schulausflügen zusätzliche Betreuung bieten und in Krisensituationen schnell reagieren. Diese Flexibilität trägt zu einem reibungsloseren Schulbetrieb bei und erhöht die Handlungsfähigkeit der Schule insgesamt.
Herausforderungen
Fehlende Standardisierung: Der "Wildwuchs" bei den Anstellungsbedingungen, den der Schulassistenzverband kritisiert, führt zu Unsicherheiten und Ungleichheiten. Es gibt grosse Unterschiede zwischen Gemeinden und sogar einzelnen Schulen in Bezug auf Gehalt, Arbeitszeiten und Aufgabenbereiche. Dies erschwert die Professionalisierung des Berufs und kann zu Unzufriedenheit und hoher Fluktuation führen. Ein klares, kantonsweites Berufsbild würde hier Abhilfe schaffen.
Qualifikation und Weiterbildung: Derzeit gibt es wenig strukturierte Aus- und Weiterbildungsangebote für Schulassistenzen. Dies kann dazu führen, dass sie nicht optimal auf ihre Aufgaben vorbereitet sind. Eine fundierte Grundausbildung und regelmässige Weiterbildungen wären wichtig, um die Qualität der Unterstützung zu sichern und den Schulassistenzen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Hier könnten spezifische Kurse zu Themen wie Lernpsychologie, Konfliktmanagement oder interkulturelle Kompetenzen angeboten werden.
Rollenklarheit: Die genauen Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Schulassistenzen sind oft nicht klar definiert. Dies kann zu Missverständnissen und Konflikten im Schulteam führen. Es besteht die Gefahr, dass Schulassistenzen für Aufgaben eingesetzt werden, die eigentlich in den Verantwortungsbereich der Lehrpersonen fallen. Eine klare Abgrenzung der Rollen und regelmässige Kommunikation im Team sind entscheidend. Schulen sollten klare Stellenbeschreibungen und Aufgabenprofile für Schulassistenzen entwickeln.
Finanzierung: Die Finanzierung zusätzlicher Stellen stellt für viele Gemeinden eine Herausforderung dar. Schulassistenzen bedeuten zusätzliche Personalkosten, die im ohnehin oft angespannten Bildungsbudget untergebracht werden müssen. Es besteht die Gefahr, dass finanzstärkere Gemeinden mehr Schulassistenzen einsetzen können, was zu Ungleichheiten in der Bildungsqualität führen könnte.
Integration ins Schulteam: Die erfolgreiche Integration von Schulassistenzen in das bestehende Schulteam kann eine Herausforderung darstellen. Es braucht Zeit und Bereitschaft von allen Beteiligten, um eine gute Zusammenarbeit zu etablieren. Regelmässige Teamsitzungen, klare Kommunikationsstrukturen und gemeinsame Weiterbildungen können helfen, ein starkes und inklusives Schulteam zu formen.

Lösungsansätze und Zukunftsperspektiven
Um die genannten Herausforderungen anzugehen und das Potenzial von Schulassistenzen voll auszuschöpfen, sind folgende Massnahmen auf verschiedenen Ebenen in Diskussion:
Entwicklung eines kantonalen Rahmenkonzepts: Ein übergeordnetes Konzept auf Kantonsebene könnte Standards für Anstellung, Aufgabenbereiche und Qualifikationen von Schulassistenzen setzen. Dies würde zu mehr Klarheit und Gleichbehandlung führen - so die Befürworter.
Professionalisierung durch Ausbildung: Die Einführung einer spezifischen Grundausbildung für Schulassistenzen, beispielsweise in Form einer einjährigen Fachausbildung, könnte die Qualität und das Ansehen des Berufs steigern. Ergänzt durch regelmässige Weiterbildungsangebote würde dies zu einer Professionalisierung des Berufsfeldes beitragen.
Etablierung von Karrierewegen: Um den Beruf attraktiver zu gestalten und Fachkräfte zu halten, könnten Karrierepfade für Schulassistenzen entwickelt werden. Dies könnte Spezialisierungen in bestimmten Bereichen (z.B. Inklusion oder Sprachförderung) oder den Aufstieg zu leitenden Positionen umfassen.
☝🏼 Meine Meinung
Der Einsatz von Schulassistenzen kann sich durchaus lohnen, wenn er gut geplant und umgesetzt wird. Schulassistenzen können einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Unterrichtsqualität leisten, indem sie Lehrpersonen entlasten und Schüler individuell unterstützen. Und dennoch sollte das Modell der Schulassistenzen kritisch hinterfragt werden. Aus meiner Perspektive ergeben sich folgende Bedenken:
Effizienz und Kosten
Die rasant steigende Zahl der Schulassistenzen im Kanton Zürich wirft Fragen zur Kosteneffizienz auf. Steigende Personalkosten belasten die ohnehin angespannten Bildungsbudgets der Gemeinden. Es muss sorgfältig abgewogen werden, ob diese zusätzlichen Ausgaben gerechtfertigt sind und ob die Mittel nicht anderweitig effektiver eingesetzt werden könnten.
Überfüllte Klassenzimmer
Die Anwesenheit zu vieler Erwachsener im Klassenzimmer könnte kontraproduktiv sein. Es besteht die Gefahr, dass die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schüler untergraben wird. Ein gewisses Mass an Herausforderung und Eigeninitiative ist für die Entwicklung unserer Kinder wichtig.
Rollenverschiebung
Es besteht die Gefahr, dass Lehrpersonen Kernaufgaben an Schulassistenzen abgeben. Dies könnte langfristig zu einer Verwässerung des Lehrerberufs führen und die Qualität des Unterrichts beeinträchtigen.
Bürokratie und Regulierung
Die Forderung nach einem kantonalen Rahmenkonzept und standardisierten Anstellungsbedingungen könnte zu mehr Bürokratie und starren Strukturen führen. Dies widerspricht dem Prinzip der Gemeindeautonomie und könnte die Flexibilität der Schulen einschränken.
Angesichts der genannten Bedenken sollte der Einsatz von Schulassistenzen mit Bedacht erfolgen. Statt einer flächendeckenden Einführung wäre ein gezielter, bedarfsorientierter Ansatz ratsam. Schulen und Gemeinden sollten die Autonomie behalten, individuell zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Schulassistenzen sinnvoll sind. Parallel dazu sollten alternative Wege zur Verbesserung der Bildungsqualität geprüft werden, wie etwa Investitionen in die Lehrerausbildung, optimierte Klassengrössen oder innovative Unterrichtskonzepte. Letztendlich muss das Wohl der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stehen – mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Unterstützung und Förderung der Eigenständigkeit. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Einsatz von Schulassistenzen tatsächlich einen Mehrwert für das Bildungssystem schafft und nicht zu unbeabsichtigten negativen Konsequenzen führt.
Was ist Eure Meinung zu diesem wichtigen Thema? Schreibt mir einen 👉 Kommentar.


Spannend!
Gut geschrieben, Danke Andrea